Warum du deine eigenen Bedürfnisse oft nicht mehr wahrnimmst

Und was du dagegen tun kannst

Hast du dich schon einmal erschöpft und überfordert gefühlt, ohne genau zu wissen warum? Es könnte daran liegen, dass du deine eigenen Bedürfnisse nicht mehr richtig wahrnimmst. Doch keine Sorge, du bist damit nicht allein. Viele Menschen geraten in diesen Zustand, ohne zu verstehen, warum.

Mir selbst ging es vor einigen Jahren so. Sobald ich mich fragte, was ich eigentlich wollte, bekam ich keine Antworten. Dadurch, dass ich mich auf den Weg machte, verstand ich auch, warum dies so war. Ich hatte verlernt auf meine eigenen Bedürfnisse zu hören, weil sie von meinen Eltern sehr oft ignoriert wurden. Meine Strategie war dann, dass ich meine eigenen Bedürfnisse nicht mehr wahrgenommen habe und mich lieber an das gehalten hat, was mir mein Umfeld gesagt hat. Doch das führte in einen tiefen Erschöpfungszustand, weil ich mich überforderte und mein Bedürfnis nach Pausen und Erholung total ignorierte.

Welche Gründe kann es noch geben, warum jemand seine eigenen Bedürfnisse nicht mehr wahrnehmen kann?

Es gibt mehrere psychologische Gründe, warum Menschen ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr wahrnehmen können. Einige davon umfassen:

  1. Bindungsbedürfnis: Wenn dein Bedürfnis nach Bindung insbesondere in den ersten Lebensjahren nicht erfüllt wurde, kann dies dazu führen, dass du Schwierigkeiten hast, deine eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu artikulieren. 

  2. Bedürfnis nach Kontrolle und Selbstbestimmung: Ein Mangel an Kontrolle und Vorhersehbarkeit in verschiedenen Lebenssituationen kann dazu führen, dass du dich hilflos fühlst und deine eigenen Bedürfnisse vernachlässigst.

  3. Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz: Wenn das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung nicht erfüllt wird, kann dies zu einem geringen Selbstwertgefühl führen, was wiederum die Wahrnehmung eigener Bedürfnisse beeinträchtigen kann.

  4. Lustgewinn und Unlustvermeidung: Die Tendenz, Unlust zu vermeiden, kann dazu führen, dass du deine Bedürfnisse unterdrückst, insbesondere wenn die Erfüllung dieser Bedürfnisse kurzfristig zu Unbehagen führen könnte.

Ich möchte dir an einem Beispiel erklären, warum ein unerfülltes Bindungsbedürfnis dazu führt, dass du deine eigenen Bedürfnisse nicht mehr wahrnimmst.

Als kleines Baby hattest du kaum Möglichkeiten, deine Bedürfnisse  genau auszudrücken oder auch etwas zu unternehmen, um diese zu erfüllen. Deine Eltern oder andere Bezugspersonen mussten erkennen, was du brauchst und waren meist auch für die Erfüllung zuständig. Du warst also bei der Bedürfnisbefriedigung auf andere Personen angewiesen. Wenn das gut gelungen ist, bekamst du das Gefühl, dass deine Bedürfnisse zufriedenstellend erfüllt werden und du darin unterstützt wirst.

Doch nicht immer konnten deine Eltern alle Bedürfnisse korrekt erkennen und erfüllen. Wenn es sich um keine existentiellen Bedürfnisse handelte, dann hast du gelernt, deine Bedürfnisse aufzuschieben.

Doch wenn sehr häufig deine Wünsche ignoriert und nicht erfüllt werden und möglicherweise durch dein weiteres Beharren die Beziehung zu deinen Bezugspersonen gelitten hat, dann wirst du deine Bemühungen einstellen. Dann ist es für dich als Kind sicherer und besser, wenn du nicht mehr wahrnimmst, was du eigentlich brauchst.

Dann entwickelst du als Kind Strategien, um die Beziehung zu deinen Bezugspersonen stabil zu halten. Denn wenn du die Bindung zu deinen Bezugspersonen verloren hättest, wäre das eine existenzielle Bedrohung für dich gewesen. Diese Strategien automatisieren sich dann im Laufe deiner Entwicklung. Du hältst dann an diesen Strategien fest, auch wenn sie inzwischen nicht mehr zum Ziel führen.

Beispiel: Du wurdest als Kind häufig angetrieben und durftest nicht trödeln. Wenn du eine Sache schnell und zügig erledigt hattest, wurdest du gelobt. Als Erwachsener hast du dir diese Strategie automatisiert, auch wenn es inzwischen Situationen gibt, in denen du etwas sorgfältiger und langsamer machen solltest. In solchen Situationen fehlt die Anerkennung und dennoch machst du unbewusst weiter mit deiner Strategie. Außerdem übergehst du dann deine eigentlichen Bedürfnisse, wenn du dich beispielsweise nach Entspannung sehnst.

Ich denke du hast bereits verstanden, dass das Unterdrücken deiner eigenen Bedürfnisse zu Erschöpfung und Überforderung führen. Doch es gibt noch mehr Gründe, warum das Spüren und Erkennen deiner eigenen Bedürfnisse wichtig ist:

  1. Selbstkenntnis: Das Bewusstsein über die eigenen Bedürfnisse ist ein Schlüssel zur Selbstkenntnis. Es hilft dir, die eigenen Wünsche, Werte, Ziele und Absichten zu verstehen.

  2. Persönliche Entwicklung: Das Erkennen deiner eigener Bedürfnisse ist ein wesentlicher Aspekt persönlicher und zwischenmenschlicher Entwicklung. Es ermöglicht ein erfüllteres Leben und trägt zur Verbesserung der Beziehungsqualität bei.

  3. Kommunikation: Wenn man seine Bedürfnisse kennt, kann man sie besser kommunizieren. Dies führt zu einer effektiveren und authentischeren Interaktion mit anderen und somit insgesamt zu harmonischeren Beziehungen.

  4. Entscheidungsfindung: Das Verständnis der eigenen Bedürfnisse befähigt zu besseren Entscheidungen, die im Einklang mit deinen eigenen Werten und Zielen stehen.

  5. Grenzen setzen: Das Erkennen der eigenen Bedürfnisse hilft dabei, Grenzen zu setzen und sich vor Überforderung und Vereinnahmung zu schützen.

  6. Selbstfürsorge: Die Anerkennung und Erfüllung eigener Bedürfnisse ist ein Akt der Selbstfürsorge und kann das Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit steigern.

Insgesamt ist es also wichtig, deine eigenen Bedürfnisse zu spüren, um ein gesundes, ausgeglichenes und authentisches Leben führen zu können.

Wie kannst du nun aus diesem Mechanismus aussteigen und wieder spüren, was du wirklich brauchst?

  1. Praktiziere Achtsamkeit im Alltag: Grundsätzlich hilft es, wenn du Achtsamkeit im Alltag trainierst. Horche immer wieder in dich hinein. Bleibe in Kontakt mit dir selbst, deinen Gefühlen, deinem Körper und deinen Gedanken. Diese Achtsamkeit hilft dir auch genau zu unterscheiden. Bei mir war es beispielsweise lange Zeit so, dass ich das Bedürfnis nach Gesellschaft nicht gespürt habe. Ich hatte gegen die aufkommenden Gefühle von Traurigkeit und Einsamkeit eine wirksame Strategie gefunden – Ich aß Süßigkeiten. Da diese Strategie jedoch andere Nebenwirkungen hatte und natürlich das ursprüngliche Bedürfnis nicht stillte, wurde ich immer unzufriedener. Sobald ich jedoch achtsam hinspürte, konnte ich lernen, andere Strategien zu verwenden.
  2. Nutze deine Gefühle als Hinweis: Deine Gefühle sind Hinweise auf deine Bedürfnisse. Sobald heftige Emotionen, wie beispielsweise Wut, Angst oder Traurigkeit hochkommen, kannst du dich auf die Suche nach dem dahinter liegenden Bedürfnis machen. 
  3. Schaffe bewusst Pausen für Entspannung: Sorge regelmäßig für Entspannung, denn wenn du im Stress bist, kannst du deine eigentlichen Bedürfnisse nicht mehr spüren. Das liegt daran, dass bei Stress dein System auf Notfallprogramm umstellt. Dann ist das Überleben das Wichtigste und andere Bedürfnisse müssen warten. Wenn du Anregungen brauchst, wie du deine Pausen optimal nutzt, findest du hier mehr dazu.
  4. Nimm dir Zeit, um emotionale Situationen zu reflektieren und zu analysieren. Das kann dir helfen, deine eigenen Bedürfnisse besser zu verstehen und geeignete Strategien zur Erfüllung dieser Bedürfnisse zu entwickeln.

Deine eigenen Bedürfnisse zu erkennen ist der Schlüssel zu einem erfüllten Leben. Indem du achtsam mit dir selbst umgehst und deine eigenen Bedürfnisse ernst nimmst, kannst du mehr Zufriedenheit und Leichtigkeit in dein Leben bringen.

Also, worauf wartest du?

Fang heute damit an, deine eigenen Bedürfnisse besser wahrzunehmen und erlebe die positiven Veränderungen in deinem Leben. 

Brauchst du Unterstützung dabei, deine eigenen Bedürfnisse besser wahrzunehmen und umzusetzen? Vereinbare jetzt einen Termin für ein persönliches Gespräch, in dem wir gemeinsam analysieren, wie du dieses Problem überwinden kannst.

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1 Kommentar zu „Warum du deine eigenen Bedürfnisse oft nicht mehr wahrnimmst“

  1. Hallo!

    Der Artikel gefällt mir sehr gut. Er erfüllt verschiedene meiner Bedürfnisse. „Eigenen Platz finden; Ordnung; Hilfe“. Vielen Dank.

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